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Information zu Postal² (2003) |
Indizierungentscheidung der US-Version |
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Zitat (Namen der Verfahrensbeteiligten wurden entfernt):
"S a c h v e r h a l t
Verfahrensgegenständlich ist das Spiel ?Postal 2? für PC in der US-Fassung, das 2003 von der - hergestellt wurde. Besagte Firma ist Inhaberin aller Rechte.
Als minimale Systemvoraussetzungen benötigt man zur Inbetriebnahme des Spiels einen Rechner mit Pentium III/ AMD Athlon CPU mit 733 MHz (oder Kompatible), 128 MB RAM, eine DirectX 8.1 kompatible Grafikkarte mit 32 MB RAM unter Verwendung eines GeForce2-, Radeon- oder aktuelleren Chipsatzes, 8fach CD-Rom, 1,2 GB Festplattenspeicher und Win 98, 2000, ME oder XP.
Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) hat das Spiel nicht eingestuft, da es nicht zur Prüfung eingereicht wurde.
?Postal 2?, der Nachfolger des mit Entscheidung Nr. 5379(V) vom 17.06.1998 indizierten ?Postal?, gehört in die Kategorie der ?Ego-Shooter?.
Protagonist des Spiels ist der so genannte ?Postal Dude?. Dieser muss, gesteuert vom Spieler, im Laufe einer Woche mehrere alltägliche Aufgaben erfüllen, wie z.B. seinen Gehaltsscheck abholen, Milch einkaufen oder ein ausgeliehenes Buch zur Bibliothek zurückbringen.
Unter bizarren Umständen wird der Spieler dabei jedoch immer wieder in Feuergefechte verwickelt: so wird z.B. die Kirche, in der der Spieler zur Beichte gehen soll, just in diesem Augenblick von fanatischen Islamisten angegriffen.
Neben diesen kleinen ?Missionen? entbehrt das Spiel jeglicher Handlung im genreüblichen Sinne.
Da es auch keine Zeitvorgaben für die Erledigung der Aufgaben eines Tages gibt, kann der Spieler frei in der Spielwelt, einer trostlosen amerikanischen Kleinstadt namens Paradise, umherlaufen. Dabei kann er die Waffen, die er bei seinen Streifzügen finden oder seinen Gegnern abnehmen kann, nach Belieben gegen die arglose Bevölkerung einsetzen.
Neben den genreüblichen Schusswaffen kann der ?Postal Dude? auch verschiedene Alltagsgegenstände als Waffe einsetzen: eine Schaufel dient ihm als Nahkampfwaffe, mit der er Gegner enthaupten kann, mit einem Benzinkanister lassen sich Gegner anzünden und Feuerspuren legen, Scheren dienen als Wurfgeschosse und selbst Nachbars Hund wird mit Hundekuchen zum mordlustigen Gefährten.
Eigentlicher Inhalt des Spiels ist somit, in Paradise für Chaos zu sorgen.
Das - beantragt die Indizierung des obengenannten Spiels, da dessen Inhalt geeignet sei, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden.
Die Verfahrensbeteiligte wurde form- und fristgerecht davon benachrichtigt, dass über das Spiel gemäß § 23 Abs. 1 JuSchG im vereinfachten Verfahren entschieden werden soll. Sie hat sich nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prüfakte und auf den des Computerspiels Bezug genommen. Das Spiel wurde den Mitgliedern des Dreiergremiums in der Sitzung vom 15.05.2003 in seinen wesentlichen Teilen vorgeführt und erläutert. Sie haben die Entscheidung sowie die Entscheidungsbegründung in vorliegender Fassung einstimmig beschlossen und gebilligt.
G r ü n d e
Das PC-Spiel ?Postal 2? war antragsgemäß zu indizieren.
Durch seine verrohende Wirkung ist es gemäß § 18 Abs. 1 JuSchG geeignet, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden.
In Ermangelung einer tiefgehenderen Spielhandlung kann man ?Postal 2? leichthin als ?Amoklauf-Simulator? bezeichnen (schon allein der Titel zielt auf den umgangssprachlichen amerikanischen Ausdruck ?to go postal? ab, was im weitesten Sinne ?Amoklaufen? bedeutet; in Anlehnung an einen amerikanischen Postangestellten, der eben dies tat):
Der Spieler wird von einer frustrierenden oder schlichtweg langweiligen Situation in die nächste geschickt. Schon der erste Auftrag des Spielers, seinen Gehaltsscheck abzuholen, endet in der Entlassung des ?Postal Dude?. Das anschließende Einlösen des Schecks in der Bank oder das Einkaufen im Supermarkt ist mit unerfreulicher, gar nervtötender Wartezeit verbunden. So treibt es den Spieler von einer frustrierenden Situation in die nächste.
In der Rolle des ?Postal Dude? muss man solche Unannehmlichkeiten jedoch nicht über sich ergehen lassen: ganz nach Belieben kann man eine seiner Waffen zücken und seinem Unmut Luft machen. Zwar sind einige der potenziellen Opfer der Zivilbevölkerung ebenfalls bewaffnet, und auch Polizisten erschweren dem ?Postal Dude? das Leben, jedoch stellen diese für den geübten Spieler kein ernstzunehmendes Hindernis dar. Im Falle von Verletzungen kann sich der Spieler schnell mit Fast Food oder Marihuana heilen.
Mehrmals drängen sich Gewaltorgien nahezu auf, etwa, wenn die Marschkapelle samt Elefanten antritt: durch Explosionen, Schüsse oder Feuer lassen sich die Tiere in Panik versetzen, so dass sie die Kapelle samt Zuschauern niedertrampeln.
Insbesondere Feuer hat in größeren Menschenmengen verheerende Wirkung, da die brennenden, schreiend umherlaufenden Menschen wiederum andere Personen oder Gegenstände entzünden.
Um den technischen Gegebenheiten der Spieler entgegenzukommen, kann der Nutzer die Anzahl der auftretenden Spielfiguren stufenlos regeln: je höher die Rechenleistung des PCs, desto größere Menschenmengen können erstellt werden, so dass je nach Rechner die größtmögliche Opferzahl zur Verfügung steht.
Zwar beteuert der Hersteller des Spiels, ?Postal 2? sei nur so gewalttätig, wie der Spieler das beabsichtige, jedoch ist nicht entscheidend, was der Spieler unterlassen kann, sondern vielmehr, was er tatsächlich tun kann. Dabei stellt sich ohnehin die Frage, welcher Spieler daran Vergnügen findet, in einem Computerspiel fünf Minuten in einer Schlange vor einem virtuellen Bankschalter zu stehen.
Im Übrigen lassen sich gewalttätige Auseinandersetzungen nicht vermeiden, weil der Spieler im Anschluss an nahezu jede erfüllte Aufgabe Ziel eines Angriffs wird oder zumindest zwischen die Fronten gerät. Nach und nach wandeln sich nach diesen unvermeidbaren Auseinandersetzungen verschiedene Bevölkerungsgruppen zu dauerhaften Feinden des ?Postal Dude?, egal ob sich der Spieler den Gefechten entzogen hat oder nicht.
Die vom Hersteller beworbene Interaktivität des Spiels ist schlichtweg nicht vorhanden: der Spieler kann außer durch Gewalttaten mit seiner Umgebung oder den computergesteuerten Mitmenschen der Kleinstadt nicht interagieren. Der ?Postal Dude? kann keine Gespräche starten oder gar steuern, nicht einmal eine genreübliche ?Benutzen?-Taste zur Manipulation der Umwelt, etwa zum Öffnen der Türen, ist vorhanden.
Die Tatsache, dass das Zufügen von Gewalt einziges Spielziel von ?Postal 2? ist, zeigt sich schon in der Fülle der Möglichkeiten, wie der Spieler die bereits getöteten Opfer schänden kann:
Die am Boden liegenden Leichen können mit Füßen getreten werden, wobei der Spieler mit abgetrennten Köpfen ein makaberes Fußballspiel veranstalten kann. Hunden, die man mit Hundekuchen gefügig gemacht hat, kann man das Apportieren der Köpfe beibringen und sie so auf Menschen abrichten. Die Leichen können (wie alles im Spiel) mit Benzin übergossen und entzündet werden. Zu jeder Zeit hat der ?Postal Dude? darüber hinaus die Möglichkeit, seine Hose zu öffnen und zu urinieren. Derart lassen sich ebenfalls Leichen schänden, oder auch Passanten überraschen: letztere reagieren auf eine solche Behandlung unter Umständen mit Erbrechen.
Auf sichtbar getragene Geschlechtsteile oder Schusswaffen reagieren Passanten mit Abscheu bzw. Furcht und ergreifen gelegentlich die Flucht. Derart kann der Spieler sie dann durch die Straßen hetzen, bis sie sich vor Erschöpfung übergeben.
Die besondere Gefährdung hierbei liegt insbesondere darin, dass gerade durch das lebensnahe Szenario ?Postal 2? Situationen in blutige Gemetzel ausarten lässt, die der Spieler aus dem wahren Leben kennt. Der Spielspaß rührt vorliegend gerade aus dem Bewusstsein, mit einem ethischen Minimalkonsens, nämlich der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens, zu brechen. Nicht die Distanzierung von, sondern die Identifikation mit diesem Normverstoß ist im Spiel angelegt und wird als ?cool? propagiert.
Hinzu kommt, dass die grafische Gestaltung des ?Postal Dude? darauf abzielt, besonders jugendliche Spieler anzusprechen: er trägt einen dunklen Ledermantel, ein cooles T-Shirt, zerzauste Haare, Kinnbart und Sonnenbrille. Damit fällt er vom Aussehen her in die Sparte derjenigen amerikanischen Jugendlichen, die sich wegen ihres unangepassten Äußeren an amerikanischen High-Schools schwer tun. Der ?Postal Dude? bietet daher Identifizierungsmöglichkeiten für den typischen ?Underdog?, der sich endlich Luft macht.
?Postal 2? ist programmiertechnisch nicht gut gelungen: die Grafik wirkt veraltet, das Leveldesign ist lieblos, die künstliche Intelligenz der Spielfiguren kann schwerlich als solche bezeichnet werden. Trotz der niedrigen Qualität der Grafik benötigt ?Postal 2? einen unverhältnismäßig leistungsstarken Computer, was ebenfalls auf schlechte Programmierung hinweist.
In der Fachpresse ist ?Postal 2? weitestgehend unbeachtet geblieben. Das Spiel hat die Spielergemeinde stark polarisiert: während der wohl überwiegende Teil das Spiel als geschmacklos und/oder programmiertechnisch schlecht ablehnt, gilt ?Postal 2? bei einem kleinen Teil der Spieler als Kult.
?Postal 2? enthält ein nicht zu verleugnendes Maß an Satire und schwarzem Humor. So muss der ?Postal Dude? z.B. auch zur Wahl gehen, und wird dort mit einem verwirrenden Wahlzettel und einem Stanzgerät konfrontiert, dass keine vollständigen Löcher in den Wahlzettel macht (?Hmm, that probably doesn?t matter anyway??). Desweiteren finden sich mehrere Anspielungen auf die Schattenseiten des ?American Way of Life?; so zielt wohl die Tatsache, dass eine Vielzahl der Personen in der Heimatstadt des ?Postal Dude? bewaffnet sind, auf die Waffenvernarrtheit der US-Bürger ab.
Das Bestreben des Herstellers, das Spiel nicht allzu ernst nehmen zu wollen, zeigt sich schon darin, dass der ?Postal Dude? selbst beim Hersteller Running With Scissors arbeitet, die Mitarbeiter der Firma sich somit selbst als ?Opfer? für den ersten Amoklauf anbieten. Im Gebäude von Running With Scissors werden die Mitarbeiter und der ?Postal Dude? außerdem von radikalen Demonstranten angegriffen: einer Gruppe besorgter Eltern, die mit Waffengewalt ein Ende von gewalttätigen Spielen erzwingen wollen.
Und wenn der ?Postal Dude? im weiteren Verlauf des Spieles Katzen als Schalldämpfer auf seine Schusswaffe steckt, dann entspricht das einem Humor, den schon das Komikerensemble ?Monty Python? etabliert hat.
Das Gremium hat jedoch bereits gezeigt, dass die Botschaft, die hier im Wesentlichen vermittelt wird, diejenige ist, dass die sinnlose Zerstörung von Leben Spaß macht und Gewalt der beste, wenn nicht sogar einzige Weg zum Erfolg ist. Die satirisch-ironischen Elemente gehen im puren Gemetzel unter.
Das Maß der Jugendgefährdung von ?Postal 2? ist wie dargelegt im oberen Bereich der Skala anzusiedeln. Daher ist das 3er-Gremium zu der Überzeugung gelangt, dem Jugendschutz den Vorrang vor dem Kunstschutz einzuräumen.
?Postal 2? wird in Deutschland nicht offiziell vertrieben. Derzeit gibt es keine deutschsprachige Version des Spiels. Ein Fall von geringer Bedeutung gemäß § 18 Abs. 4 JuSchG kann jedoch wegen der Schwere der von ihm ausgehenden Jugendgefährdung nicht angenommen werden." |
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