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Review zu Soldier of Fortune II: Double Helix (2002) |
Die Zukunft ist düster... |
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Soldier of Fortune II ist eine Legende - jedenfalls, wenn man der Shooter-Gemeinde Glauben schenkt. Von der Fachpresse wurde das Sequel zu Raven Software's Brachial-Ballerei eher belächelt, da es das ein Jahr zuvor erschienene 'Return to Castle Wolfenstein' nicht im Ansatz zu übertreffen vermochte. Die Wahrheit tut weh.
Ich geb's zu: Soldier of Fortune II war eines der wenigen Spiele, bei denen ich, damals gerade in der Pubertät, dem Gruppenzwang nachgegeben habe und es ob seiner 'bösen Brutalität' blind gekauft habe, ohne den Vorgänger zu kennen oder auch nur einen Screenshot davon gesehen zu haben. Als gelegentlicher Counter-Strike-Spieler versprach ich mir einen Titel, der mich ebenso lange bei der Stange halten können würde - zumindest dem nach zu urteilen, was mein Bekanntenkreis dazu zu sagen hatte. Nun gut, ich weine dem Geld dafür nicht direkt nach - ich habe es schon für schlechtere Games quasi aus dem Fenster geworfen -, aber ich kann meine Enttäuschung nicht verbergen.
Seit dem Release von Soldier of Fortune II vergingen 6 Jahre. 6 Jahre, und ich frage mich heute wie damals: WAS FINDEN DIE LEUTE BLOSS AN DIESEM SPIEL?
Was ist Soldier of Fortune II?
Soldier of Fortune II ist ein Ego-Shooter. Ja, ein Ego-Shooter. Nicht mehr, nicht weniger. Ein Ego-Shooter ohne Besonderheiten, ohne innovative Features und Gimmicks, einfach Bleifuß-Baller-Action, die von gelegentlichen Stealth-Passagen unterbrochen wird. Charaktere und Story sind so stereotypisch, wie das komplette Spiel. Man ist Mitglied einer Spezialeinheit und bekämpft Terroristen. Gähn. Aufgepeppt wird dieses, speziell seit Counter-Strike extrem ausgelutsche Setting durch rigorose Gewaltdarstellung. 2002 gab es in Sachen Gnadenlosigkeit bei der Darstellung der virtuellen Gewalt kein vergleichbares Computerspiel, ausgenommen vielleicht den Vorgänger. Manhunt erschien erst ein Jahr später, entsprechend groß war der öffentliche Aufschrei - bei uns in Europa jedenfalls, die Amerikaner trugen's, wie üblich, mit Fassung (solange keine nackten Brüste oder ähnliches darin vorkommt, da laufen sie wie die Hasen) - und entsprechend groß war das Leuchten in den Augen der minderjährigen Zockergemeinde.
"Boah Alter, ich hab' dem den Arm abgeschossen!" - "Boah, ey, voll krass, Mann!" - ich frage mich, wofür dieses Spiel überhaupt von diversen Klassifizierungsinstitutionen mit einem 18er Ranking versehen wurde - das Spiel landete vermutlich öfter in Kinderzimmern als bei erwachsenen Spielern. Ich kenne bis heute alleine in meinem Umfeld niemanden, der sich das Spiel gekauft hat und zu diesem Zeitpunkt volljährig war. Kein Wunder: für volljährige Spieler hielt die Gaming-Welt 2002 bereits wesentlich besseres bereit, als die Durchschnittskost des Zukunftssoldaten, angefangen beim bereits erwähnten RtCW. Daran, dass Soldier of Fortune II vor allem unter minderjährigen Shooter-Freunden als legendär gilt, ist auch, bei allem Jugendschutz, nichts auszusetzen. Denn so brachial die Gewaltdarstellung ist, so unrealistisch, übertrieben und teilweise comicartig ist sie. Blutlachen sehen aus, als wären sie mit Ölkreide hingemalt worden, das 'Spielen' mit Leichen, die durch wenige Messerstiche in ihre anatomischen Einzelteile zerlegt werden können oder das Betrachten der vielfältigen und oftmals ebenso übertriebenen Sterbeanimationen (ein Gegner windet sich fast eine volle Minute, bevor er endlich stirbt, obwohl ich ihm den halben Bauchraum weggeschossen habe, also bitte...) wird spätestens beim 20. Mal langweilig und man beginnt, dieses Aushängeschild der SoF-Reihe zu ignorieren. Ob dies nun an der von C. Pfeiffer und Gleichgesinnten propagierten Abstufung des Spielenden oder schlicht daran liegt, dass sich der gleiche stumpfsinnige Unrealismus permanent wiederholt und dabei laufend an Witz verliert, sei dahingestellt.
Die Grafik von Soldier of Fortune II ist - OK. Die Quake III-Engine war mittlerweile ein wenig altbacken, zumal die 'Grafikpracht' die relativ langen Ladezeiten nicht annähernd rechtfertigt. Wolfenstein bot wesentlich mehr Details und weichere Animationen (neben größeren Arealen), lud aber deutlich schneller. Der Sound ist solide, wobei ich ca. 50% des Spiels ohne bestritten habe, da mir das Gedudel bald auf die Nerven ging, so oft, wie ich manche Spielstufen wiederholt habe. Wo wir beim nächsten Manko wären...
Die SoF-Saga - der aktuellste Teil, 'Payback', ist da keine Ausnahme - zeichnet sich nicht nur durch ihre radikale Gewaltdarstellung, sondern auch durch ihren heftigen und nicht selten frustrierenden Schwierigkeitsgrad aus. Nein, Soldier of Fortune II ist nicht 'unschaffbar schwer', doch in unfaire Situationen gerät der Spieler zuhauf. Beispielsweise rennt man im Dschungel des Öfteren in Gegnernester - und was tun diese? Alle holen gleichzeitig ihre Granaten hervor und werfen - dank der kantigen Dschungeltexturen weiß man nicht, wohin. Man rennt also und betet, dass man den Granaten entgeht. Nummer eins explodiert, daraufhin Nummer zwei. Und plötzlich liegt man tot auf dem Rücken, da Nummer drei den Hügel hinabgerollt ist, einem genau vor die virtuellen Füße. Wuhu. Abgesehen davon kann ich die Aussage "The enemy is smart... very smart" von dem Backinlay des DVD-Cover nicht recht nachvollziehen. Der Feind, die KI, ist faktisch irrsinnig dumm, sie reagiert nur meist so, dass ihr die maximalen Erfolgchancen eingeräumt werden. Beispielsweise bereiten Gegner Granaten vor, selbst, wenn man genau vor ihnen steht, um John Mullins, seines Zeichens Held, Söldner und Spielfigur, 'mitzunehmen', wenn er diese eliminiert, anstatt sich zu wehren. Auch rennen Gegner manchmal wild umher, schießen nicht, sondern rennen nur wie blöd durch die Gegend, um Waffenfeuer zu entgehen. Zückt man während dieser Aktionen das Messer, ist jedoch alles Ausweichen für die Katz - sie leisten keinerlei Gegenwehr, wenn man sie auf diese Art erledigt. Ich habe zwar schon schlechtere KI gesehen - gerade für die damalige Zeit war sie rückblickend in Ordnung -, trotzdem würde ich sie nicht zwingend als 'smart' bezeichnen.
Der Multiplayer-Modus ist in Ordnung. Ein wenig hektisch, aber solid und mit Sicherheit eine Steigerung gegenüber dem Online-Modus des Vorgängers. Dennoch kommt er nicht gegen Counter-Strike an, sei es in Spielmechanik, Spielbarkeit oder Langzeitmotivation. Ein netter Zeitvertreib für zwischendurch, immer mal wieder, aber nichts, was mich wirklich fesselt.
Ein paar Worte noch zur deutschen Fassung: mein Review bezieht sich auf die UK-Erstauflage. Und selbst, wenn dieses Review jemanden, der das Spiel bislang erfolgreich ignoriert hat, nicht vom Kauf abbringen können sollte, sei jedem Interessenten nahe gelegt, UNBEDINGT die Finger von der deutschen Fassung zu lassen, es sei denn, er oder sie ist ein Fan von Science-Fiction...
Fazit:
Soldier of Fortune II: Double Helix ist ein solider Shooter, ohne Innovation und Anspruch, mit stereotypischen Charakteren und Story und einem ähnlich 0815-gearteten Multiplayer-Modus. Das einzige, womit es aus der Masse hervorzustechen versucht (und dies vermutlich auch schafft), ist seine radikale Darstellung virtueller Gewalt, die jedoch so übertrieben und unrealistisch ist, dass der Titel genauso gut weltweit ab 15 bzw. 16 freigegeben werden hätte können. Der Soldat der Zukunft wird von der Konkurrenz in so ziemlich jeder Disziplin ausgestochen, ob Gameplay, Umfang oder Technik. Eine Legende, die man haben kann, aber nicht haben muss. |
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